Herr Schmid, sind Sie der Meinung, dass ein globales Abhörsystem, wie 
   immer man es nennen mag, existiert?
   GERHARD SCHMID:
   Ich bin nicht der Meinung, ich weiß es. Wir können es im Sinne eines Indizienbeweises mit 
   
99 -prozentiger Wahrscheinlichkeit beweisen. Jeder Richter würde 
   das in einem Strafprozess als Beweis anerkennen.
   
Sie beziehen sich auf Echelon?
   SCHMID: Das bezieht sich auf die Existenz eines weltweit 
   arbeitenden Abhörsystems für private und wirtschaftliche Kommunikation, die auf Satelliten 
   gestützt ist. Das können wir klar zeigen, das kann niemand mehr wegreden.
   
Von wem wird es betrieben?
   SCHMID: 
   Das weltweite Abhörsystem wird betrieben von den Vereinigten Staaten von Amerika, von 
   Großbritannien, von Kanada, Australien und Neuseeland. Das hat seine historischen Wurzeln im 
   Zweiten Weltkrieg.   
   
      
      
      Gibt es noch weitere globale Abhörsysteme, zum Beispiel russische oder 
      französische?
      SCHMID: Wir haben in dem Ausschuss sehr streng nach der Regel 
      gearbeitet, was wir nicht sicher beweisen können, behaupten wir nicht. Im Falle Frankreichs 
      können wir zeigen, dass Frankreich als einziger EU-Staat in allen dazu notwendigen Teilen         der Welt eigenes Territorium besitzt, um Abhörstationen betreiben zu können. Weiter wissen        wir, dass Frankreich das Abhören technisch kann. Ob es ein weltweites System betreibt,      
      wissen wir nicht sicher. Und bei den Russen haben wir Hinweise, dass es Stationen in 
      Vietnam und in Kuba gibt, aber auch da gibt es keinen exakten Beweis.
   
    
   
   Die Bundesregierung hat der Überwachungsanlage in Bad Aibling eine 
   Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt. Sind sie sicher, ob von dort nicht auch durch die 
   USA Echelon betrieben wird?
   SCHMID: Wenn man zivile Satellitenkommunikation abhören will, 
   dann braucht man Antennen einer bestimmten Größe, heutzutage nicht unter 
   
15 Meter. Es findet sich keine Satellitenantenne dieser Größe auf 
   dem Gelände in Bad Aibling. Daraus ziehe ich den Schluss, dass zumindest 
   Satellitenkommunikation dort nicht abgehört wird. Wir haben Hinweise, dass dort eine 
   Bodenstation für Spionagesatelliten ist.
   
Welche Aufgaben hat Echelon?
   SCHMID: Es gibt eine Menge Tätigkeitsbereiche, wo strategische 
   Fernmeldekontrolle des internationalen Fernmeldeverkehrs für Nachrichtendienste Sinn macht, 
   wenn es beispielsweise um Drogenhandel, internationale organisierte Kriminalität oder um die 
   Verfolgung der Einhaltung von Embargoregeln geht. Das machen andere Dienste - wie der BND - 
   auch. Daran sehe ich auch nichts Schlimmes. Es wird ein Problem, wenn ein Nachrichtendienst 
   Wirtschaftsinformationen eines Unternehmens im Detail abhört und diese dann einem 
   Konkurrenzunternehmen im eigenen Land zuspielen würde. Das war der eigentliche Vorwurf. Dafür 
   haben wir aber keinen exakten Beweis.
   
Darüber gibt es immer wieder Gerüchte. So soll Airbus 
   1994 bei einem sechs Milliarden Dollar-Geschäft das Nachsehen 
   gegenüber MC Donald Douglas gehabt haben, weil die NSA (National Security Agency) die Finger 
   im Spiel hatte?
   SCHMID: Das ist richtig. In diesem Fall hat die NSA Bestechung 
   aufgedeckt. Die Amerikaner sagen ja klipp und klar, wir hören Kommunikation ab, wenn wir den 
   Verdacht haben, dass Bestechung im Spiel ist, weil ihr Europäer bestecht, um Aurträge zu 
   kriegen. In diesem Fall war es offenbar so.
   
Aber konkrete Beweise für gezielte Wirtschaftsspionage via Echelon haben 
   sie nicht?
   SCHMID: Es gibt keinen einzigen belegten Fall, es gibt die 
   Aussage des ehemaligen CIA-Direktors, dass sie im Detail spionieren, wenn es um die Abwehr von 
   Korruption und Bestechung geht. Aber er sagt, wir geben diese Informationen den eigenen Firmen 
   nicht, das kann man glauben oder nicht.
   
Können auch Privatbürger grundsätzlich von Echelon abgehört 
   werden?
   SCHMID: Das System hat nur Zugriff auf Kommunikation, die über 
   Satellit läuft, das meiste läuft heute über Glasfaserkabel, auf die können Staaten nur dort 
   zugreifen, wo die Kabel aus dem Meer rauskommen und in ihrem Land anlaufen. Außerdem können 
   die Millionen von Faxen, Mails und Telefongesprächen nicht alle ausgewertet werden. Man lässt 
   das mitgeschnittene Material über eine Suchmaschine laufen, die es nach bestimmten 
   Suchbegriffen aussortiert. Ein Suchbegriff kann ein bestimmter Telefonanschluss ein, es können 
   Begriffe sein, die mit dem Gegenstand, den man entdecken will, zu tun haben. Worterkennung ist 
   bis heute nicht möglich.
   Das alles begrenzt die Möglichkeiten. Dass ein Privater reinrutscht, ist eher unwahrschein-
   lich, aber nicht ausgeschlossen.
   
Wie können sich dann Privatpersonen gegen eine mögliche Überwachung 
   schützen?
   SCHMID: Verschlüsseln! Das gilt insbesondere für Faxe und E-
   Mails. Im Internet sind ja sogar schon effiziente Systeme kostenlos verfügbar. Was wir gerne 
   hätten, ist, dass diese Software wesentlich anwenderfreundlicher wird. Außerdem müsste Ver-
   schlüsselungssoftware als Open-Source-Software entwickelt werden, damit man genau weiß, wie 
   das Programm funktioniert, und keine Hintertür eingebaut ist.
   
o Verschlüsseln, gilt das auch für global agierende Firmen?
   SCHMID: Ja sicher. Wenn ich weiß, dass es Risiken gibt, dann 
   muss ich mich schützen.
   
Sie haben für ihren Bericht fast ausschließlich auf öffentlich 
   zugängliches Material zurückgreifen müssen, da sich Geheimdienste und Regierungen bedeckt 
   gehalten haben. Großbritannien hat sogar die Entsendung eines Vertreters in den Ausschuss 
   verweigert. Ist ihre Arbeit von "obersten Stellen" blockiert worden?
   SCHMID:Die Kooperationsbereitschaft von Regierungen mit 
   Parlamenten ist, wenn es um Geheimdienste geht, ohnehin nicht sehr ausgeprägt. Bei 
   Großbritannien kommt dazu, dass die landesübliche Auffassung ist, Geheimdienste sind nationale 
   Angelegenheit und gehen andere in Europa nichts an. Von dieser Sichtweise her hatte der 
   Vorsitzende des Geheimdienstkontrollausschusses im britischen Parlament Schwierigkeiten, nach 
   Brüssel zu kommen. Wir sind dann nach London gefahren und haben ihn dort gesehen.
   
Glauben Sie, dass Sie während ihrer Echelon-Recherche abgehört worden 
   sind?
   SCHMID: Ich glaube nicht, denn bei allen öffentlichen Sitzungen 
   waren auch immer Diplomaten aus der amerikanischen Botschaft anwesend. Aber es ist mir auch 
   egal.